Open-Air Festival Tagebuch 2012
Infos, Spielberichte, Eindrücke, Anekdoten und Bilder vom Theatersport-Festival 2012 im Stadtgarten.
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Christian M. Schulz, der Festival-Organisator bekam vom ZMF in Freiburg eine verärgerte Mail weil eines der Open Air Theatersport Plakate auf dem ZMF Gelände aufgehängt wurde. Dazu war ein Beweisfoto angefügt (siehe Foto). Schulz entschuldigte sich beim ZMF für den Vorfall und bat per Mail alle beteiligten Festival-Improspieler, in Zukunft dort nicht mehr zu plakatieren. Allerdings kam ihm die in der Mail angedrohten Kosten von 150,- Euro sehr übertrieben vor, da das Plakat ja nur mit Tesafilm befestigt wurde, so daß der Tatbestand der Sachbeschädigung nicht erfüllt wurde. Wird das ZMF, das ja zeitgleich zum Open Air Festival stattfindet, etwa nervös, weil sie befürchten, daß das Theatersport-Festival im Stadtgarten ihnen ihre Gäste wegnimmt?
Pünktlich zum Auftritt von Impro con Carne, dem Eröffnungs-Auftritt des 16. Open Air Theatersport-Festivals um 18 Uhr, strahlte die Sonne vom tiefblauen Himmel. Lediglich ein paar kleine Wölkchen ließen sich blicken, um 90 Minuten spontaner Spielfreude beizuwohnen. Nachdem die vier Spielerinnen und Spieler (Nicola Gottschalk, Meike Lütje, Christoph Koch und Wolfgang Weiler) unter der Begleitung von Musiker Andy Bohl voller Inbrunst und fehlerfrei die Improhymne gesungen hatten, konnte das Improfeuerwerk beginnen. Sportlich ging es mit dem Marathon los. Im Kurzmusical – auch unter dem Namen „Das klingt nach einem Lied“ bekannt – hatte Günter nur eins vor Augen: Er wollte Baggerfahrer werden und einmal in seinem Leben durch die Eiffel fahren und das gegen den Willen seinen Vaters. Gleich 6 Mal durchlebten Spieler und Zuschauer bei der Halbwertszeit eine Wassergeburt. Wen es interessiert: Es wurde ein Mädchen. Mit dem Genre Replay fand der Auftritt von Impro con Carne seinen Abschluss. Die Geschichte um eine hungernde Bauernfamilie und Sau Resi bekamen die Zuschauer als Horror, Bollywood-Film (siehe Foto) und als Puppentheater zu sehen. So schön war das Wetter, so toll das Publikum, dass Impro con Carne am liebsten noch länger auf der Bühne geblieben wäre.
Um 20 Uhr hat dann die Wilde Mathilde mit Hilfe der Wellenbeauftragten Elfi, dem Musiker Andreas und Ralf (beide von der befreundeten Gruppe „Die Sponatanellen“) die Masse begeistert. In den zwei Räumen „Bank-Schalterraum“ und „Toilette“ wurde ein Beziehungsdrama mit Lösegeldforderung gespielt. Im Dutch-Square ging es um Arbeitsschutz auf der UB Baustelle, Liebe und Mafia mit gesprengtem Treppenhaus und toten Mitarbeitern. Ein Dia-Vortrag über den Dschungel endete ebenfalls tödlich. Ein sich schämender männer-liebender wurde in der Superszene rausgewählt, dafür ist das SM Paar mit der Quietsche-Ente in die Wanne gestiegen. Bei idealem Impro-Wetter (sonnig, bissle Wind, nicht zu heiß) war auch die Prophezeiung, daß das Eis alle ist nicht der ganz große Schock. Daß die zwei Geschwister beim Emo-und-Satz-Stuhl-Spiel nicht genau wussten ob sie nun ein Paar sein wollten war abschliessend auch nicht ganz so dramatisch. Rundum ein gelunger Abend. Die Wilde Mathilde versprach, daß es auch bei ihrem nächsten Auftritt wieder essbare Gummischweinchen geben wird.
Der Sonnenschein und das gute Wetter lockte am Montag viele Zuschauer in den Stadtgarten. Beim Match von Bitte freimachen I um 18 Uhr erlebten die 120 Gäste einen sehr spannenden Verlauf, bei dem es schon bei den ersten beiden Spielen und dann wieder am Ende ein Unentschieden gab (110:110 Punkte). Das Entscheidungsspiel, das vom Publikum gefordert wurde (eine Armreden-Diskussion zum Thema „Glutamat als Chance“), endete denkbar knapp mit 22:21 für Orange. Vorher hatten die beiden Teams beim Erzählchor die Geschichte „Ein Hund namens Heidegger“ gespielt und eine Hackordnung „in einem Callcenter“ gezeigt. Die „kleine Stimme“ eines Besuchers von einem anderen Planeten, der „in der Dreisam“ einen Schwimmer anspricht, führte dazu, daß der Schwimmer in der Psychiatrie landete, weil er zur Tarnung Passanten gegenüber vorgab „nur“ mit einem Stock zu reden. Und der sehr gelungene Diavortag „In der Fahrstunde“ zeigte sehr anschaulich, was man als Fahrlehrer bei der Arbeit beachten muß, damit es nicht zu schrecklichen Unfällen kommt (siehe Foto). Das jüngste Jury-Mitglied im Publikum war erst 5 Monate alt, wählte (deswegen?) fast immer die 5 als Bewertungskarte und bekam zur Belohnung am Ende des Auftritts von der Mutter ausführlich die Brust.
Den Auftritt von Bitte freimachen II um 20 Uhr sahen mehr als 250 Zuschauer, die beide Teams lautstark anfeuerten. Das Publikum wünschte sich beim Erzählchor die Geschichte „Die dunkle Seite der Macht“ sowie das Alphabetspiel „Nachts auf dem Vauban“ (mit zwei Ökohassern, die ihre Parolen auf die Lehmwände der Häuser schmierten aber dann durch das dort gepflanzte Limonenkraut umkommen, das sie unvorsichtigerweise probieren). Es gab einen Experten für die „Presshaube“, die sich als ein Wunschfrisuren-Apparat für Bauarbeiter herausstellte (wahlweise für Glatzen, Locken oder andere Frisuren) und auf der Basis von Kuhhaaren funktioniert. Und bei der „Kleinen Stimme“ tauchte ein kleiner Troll am Titicacasee auf und wollte von einer Touristin zurückverwandelt werden, weil ein böser Zauberer sie in ein hässliches Wesen mit drei Ohren und vier Augen verwandelt hatte. Am Ende siegte die orange Mannschaft ganz knapp mit 102:101. Doch dann wurden sie zu einem Spiel um „Alles-oder-Nichts“ herausgefordert (ein „Chorus Line“ mit so netten Sätzen wie „Stirb nicht so viel“ oder „Wer früher stirbt ist länger Berliner“), das die Blauen knapp mit 23:22 gewannen, so daß der Sieg (und die große Tüte Gummibärchen) an die blaue Mannschaft ging. Im Gästebuch schrieb hinterher eine Zuschauerin aus Griechenland: „Der heutige Abend war super. Improtheater habe ich in Griechenland nie gesehen. Schade, daß ich nicht in Freiburg wohne, um am nächsten Kurs teilzunehmen.“
Am dritten Tag hat zum ersten Mal das „ZMF-Wetter“ zugeschlagen: Punkt 20 Uhr begann es zu regnen. Die 150 bereits anwesenden Zuschauer wurden kurzerhand unter das Dach des Pavillons geholt, wo dadurch eine fast intime Nähe zu den acht Spielern von Impromille entstand. Der Stimmung tat das schlechte Wetter keinen Abbruch, eher im Gegenteil: Das Publikum schien besonders gut gelaunt zu sein, was vermutlich einer der Gründe war, daß Impromille sehr gut spielte und einen ihrer besten Auftritte bisher hatten. Die Gruppe begann mit ihrem brandneuen Introlied „Impromille das sind wir/ ihr seid alle richtig hier/ berauschen euch total legal/ wir sind erste Wahl!“ begleitet vom Trainer und Moderator Schulz am Akkordeon. Schulz war auch gefragt als Musiker bei der Maschine zum Thema „Satin-Bettwäsche“ und bei der Begleitung des A capella Liedes „Der Schakal und der Kugelfisch“ (mit dem Refrain: „Paß auf! In der Pfütze lauert eine Gefahr!“). Bei beiden Disziplinen zeigte die Gruppe ihr großes musikalisches Talent und begeisterte das Publikum. Beim Erzählchor „Die saure Gurke auf der Suche nach dem Glück“ erlebten die Zuschauer dann eine Gurke, die im Supermarkt ihr Glas verlässt und mit Hilfe eines Einkaufswagens nach draußen kommt, wo sie von einem Mädchen gefunden wird, daß sie mitnimmt.
Eine Herausforderung war die Synchronisations-Szene „Das Esoteropatische Treffen“, bei der eine Esoteropatin mit Hilfe eines Windgeistes das Loch in der Aura einer Klientin schließen kann. Das „Orakel“ beantwortete danach alle Fragen des Publikums, das u.a. wissen wollte, wer der nächste Bundeskanzler wird, wann Lorenz seine Diplomarbeit fertig bekommt, welches Team das Match gewinnen wird und welches Tatoo einer der Gäste sich stechen lassen soll. Nach dem Dia-Vortrag, in dem es um einen „Kleptomanischen Pinguin“ im Stuttgarter Zoo ging (der durch die Verkuppelung mit einem Kanguruh von seiner zwanghaften Klausucht befreit werden konnte), stand es (wie schon öfter bei Impromille-Matches) Unentschieden (138:138 Punkten). Die gelbe Manschaft hatte es geschafft, einen anfänglichen Rückstand von 7 Punkten im Laufe des Matches aufzuholen. So kam es auf Wunsch des Publikums zu einem Entscheidungsspiel: Beim Zappen (mit den vier Orten „Auf dem ZMF/ Im Raumschiff/ bei der Drogenberatung/ unter dem Bett) lagen am Ende die Blauen deutlich mit 25:19 vorne und gewannen das teure Hipp-Gläschen mit Babynahrung. Vor allem die hochschwangere Dorle in der gelben Verlierer-Mannschaft (die auch mit dickem Bauch in allen Szenen eine gute Figur machte), war deswegen sehr enttäuscht, weil der Trostpreis nur eine Flasche Sekt war (den sie ja nicht mal trinken durfte). Die Zuschauer, von denen die meisten trotz Regen bis zum Ende geblieben waren, feierten auch nach dem Ende „ihre“ Teams und schrieben ins Gästebuch: „War super schön und lustig. Danke.“
Bereits um 18 Uhr hatte die Gruppe Spontan Brutal mit Andreas Bohl am Keyboard vor etwa 90 Zuschauern gespielt.
FREISTIL spielte um 20 Uhr ein Zappen an den vier Orten „Im Schwimmbad/ Im Großhirn von Angela Merkel/ Auf dem Friedhof/ Im Bonbonglas“, und zeigte anschließend einen Reigen, der „In der Kanalisation“ begann und von einem verrückten Wissenschaftler handelte, der mit Hilfe ferngesteuerter mutierter Ratten die Weltherrschaft erringen will. In der komplett gereimten Geschichte „Killerbakterien auf dem Vormarsch“ ging es um einen König (Christian M. Schulz) dessen Untertanen alle an einer mysteriösen Krankheit gestorben sind. Nur sein treues Pferd (Christoph Hüllstrung) ist ihm noch geblieben, es leidet aber an der Maul- und Klauenseuche. Ein Arzt (Achim Freund) bietet an, das Pferd zu heilen und spritzt ihm ein Mittel (siehe Foto oben). Dabei handelt es sich in Wirklichkeit um die tödliche Killerbakterie (Schulz), die alle roten und weißen Blutkörperchen (Nicole Djandji-Stahl, Sybille Kleinschmitt und Hüllstrung) tötet und schließlich auch die körpereigene Immunabwehr (Freund) überwältigt. Als der König verzweifelt um sein totes Pferd trauert, enttarnt sich der Arzt und will nun auch den König mit dessen Schwert töten. Diesem gelingt es durch einen Trick, den Arzt zu überlisten und ihm den Kopf abzuschlagen. Mit dem Blut des Arztes als Serum kann er sein Pferd wieder zum Leben erwecken und die Krankheit besiegen. Shakespeare hätte seine Freude an dem gereimten Drama gehabt.
Am Ende gab es beim Musik-Replay die Szene „Königstiger küsst man nicht“ wiederholt als Jazz und als HipHop. Einer der vielen Höhepunkte des Abends war das Drehbuch „Zwischen den Welten“ (Autor: Schulz). Die komplexe und spannende Geschichte handelte von Max (Hüllstrung), einem Müllmann, der um seine verstorbene Frau Manuela trauert.Als Manuela (Djandji-Stahl) ihm nachts mehrfach als eine Art Schatten erscheint, erzählt er verwirrt seinem Arbeitskollegen Fred (Freund) von diesem Erlebnis. Der gibt ihm den Rat, Hilfe auf der Esoterikmesse zu suchen. Dort lernt Max die extravertierte Schamanin Fatima (Kleinschmitt) kennen, die ihm eine Glaskugel gibt, mit der er nachts um 3:33 Uhr bei Vollmond Kontakt mit seiner Frau aufnehmen kann. Als ihr Kopf in der Glaskugel erscheint, berichtet sie ihm, daß sie zwischen den Welten gefangen gehalten wird und gibt ihm ein geheimes Handzeichen, wie er sie befreien kann. Fatima deutet das Zeichen als einen Hinweis auf den Gott Ra. Sie hilft Max auf dem Friedhof durch ihre Energie zwischen die Welten zu kommen, wo er auf Ra (Freund) stößt, der den Lichtkörper von Max unter seine Kontrolle bringt. Doch Fatima, die Max in den Bereich zwischen den Welten gefolgt ist, bekämpft Ra, so daß Max entkommen kann und von den anderen unerlösten und heulenden Seelen zwischen den Welten (die 300 Zuschauer) erfährt, wo Manuela ist. Als er sie endlich findet, verbinden sich ihre Herzen und es entsteht ein Regenbogen über den die beiden wieder in die reale Welt zurückkehren können. Fatima hat indessen Ra besiegt und die 300 Seelen befreit, die so endlich in den Himmel schweben können. Am Ende verliebt sich Fatima in Fred, den Kollegen von Max, und beide Paare liegen sich in den Armen. Ganz großes Kino! Das Match endete mit einem klaren Sieg der roten Mannschaft, die allerdings in Überzahl spielte, weil die Weißen an diesem Abend nur zu zweit waren. Das Publikum war beeindruckt von den ausgebildeten Schauspielern auf der Improbühne, die ein Feuerwerk der Ideen und Figuren abbrannten.
Die Sonne schien und die Zuschauer strömten heran, als Hier und Jetzt um 18.00 Uhr zur Improshow anpfiff. Die gute Stimmung der sechs Spielerinnen und Spieler regte die Zuschauer zu immer neuen und mutigeren Eingaben an, die Musik von Keyboarder Johannes lockte auch Passanten an, stehen zu bleiben. Eine Gruppe von den Fidschi-Inseln war extra angereist, um ihre Kultur musikalisch nach Süddeutschland zu bringen. Große Gefühle, pazifische Melodien – ein Grand Prix der Extraklasse. Dann hieß es: Sicherheitsgurte schließen zur Gefühlsachterbahn! Es ging unter Wasser: eine Meerjungfrau und ein Schiffbrüchiger gerieten aneinander – im wahrsten Sinne. Verachtung, Haß, Euphorie und Liebe brachten nicht nur den Ozean in Wallung! Dann zeigten Hier und Jetzt, was ihre Stimmbänder hergeben: „Der vergessene Schlüssel“ zeigte, was passiert, wenn Schwaben graben – und das gleich dreimal hintereinander: als Szene, als Schlager, als Oper. Im Diavortrag wollte das Publikum sich über besondere Themen weiterbilden und schlug das Thema „Eurorettungsschirm“ aus, um zu lernen „Drachen zähmen leicht gemacht“. Nach diesem 3D-Vortrag dürfte keiner der Zuschauer mehr ohne Marshmallow auf einen Drachen zugehen, aber auch das Selbstbewusstsein haben, den gezähmten Drachen mit in den Supermarkt zu nehmen. Das Verbotsschild gilt nur für Hunde! Bildung gab es weiter: Gänseblümchenzüchter Schießmichtot erläuterte dem staunenden Publikum, wie er mit Hilfe von Glühwürmchen beste Zuchtergebnisse erzielt – weil er im Licht der Glühwürmchen nachts den Gänseblümchen vorlesen kann! Um die interessante Diskussion barrierefrei zugänglich zu machen, war eine Gebärdendolmetscherin geladen, die mit vollem Körpereinsatz auch noch das 20.000ste Glühwürmchen darstellte. Zum Schluss durfte das begeisterte Publikum seine ganz eigene, einmalige CD zusammenstellen, und wählte ein Thema, das jeden angeht: „Lange Unterhosen“. Hits wie der Samba „Ich schneid sie ab“; der HipHop „Long, long, long pants“, das Schlagerduett „Ich will sie nicht verlieren“ und die unvergessene Tangopartie sowie der Walzer zu „Mit der schönen, langen Unterhose“ bildeten den Grundstock zu einem CD-Sampler der Superlative.
„Spontan! Nichts einstudiert!“ ließen die Improleten um 18 Uhr die Zuschauer eingangs singend wissen, bevor sie beim Marathon mit Requisit tempo- und variantenreich mitrissen: Eine von einem Zuschauer mitgebrachte Picknickdecke verwandelte sich nacheinander in eine Ming-Vase, einen Döner-Spieß, einen Baumkuchen, ein Abflussrohr, eine römische Schriftrolle, einen Lendenschurz, eine Metzgerschürze, eine Balkonverkleidung und eine Bus-Karosserie. Die Neue Wahl konnte dann sogleich mit einer Weltpremiere aufwarten: Bei der „Geburtsvorbereitung“ zeigte der hochschwangere Mann seiner Frau noch nie gesehene Geburtsvorbereitungsübungen akrobatischen Ausmaßes. Das dabei unvermittelt aus ihm herausfallende Neugeborene hatte dann jedoch frappierende Ähnlichkeit mit dem Briefträger! Die sich anschließenden paartypischen Turbulenzen und Emotionalitäten konnten leider nicht in einem Happy End münden. Der Dia-Vortrag „Es war einmal im Ferienlager“ deckte dann einmal mal auf, was Pfadfinder im Ferienlager wirklich machen und gab exemplarisch einen Einblick in den unkonventionellen Umgang der Scouts mit einem wilden Bären. Im Reigen, der nach dem Wunsch der Zuschauer mit den Worten „Hol´ mir mal ein Bier!“ begann, befürchtete die liebreizende Susi, dass das wachsende Alkohol–Problem ihres Mannes Bernd ihre Ehe zerstören würde. Wer hätte da gedacht, dass gerade der ältere, aber wesentlich jünger aussehende (oder umgekehrt?) Yogalehrer Peter – der nebenbei auch noch Susis resoluter Mutter Gerlinde wegen deren Kochkünsten amourös erlegen war – es schaffen würde, Bernd mit bewusstseinserweiternden Yogaübungen vom Alkohol wegzubekommen? Und Happy End. Beim Zappen trieben die Improleten dann „Unter dem Rettungsschirm“, „Im U-Boot“, „In der Kantine“ und „Im Ikea“ ihr Unwesen. Im Genre-Replay war „Der erste Auftritt der Rolling Stones“ das Thema, wiederholt in den Genres Bollywood-Film und Heimatfilm – jeweils mit ekstatischen Groupies mit vereinzelt nacktem Oberkörper! Nach der hitzigen Armredendiskussion zur Frage „Taschengeld – ja oder nein?“ und einem berührenden Abschiedssong forderten die Zuschauer entschlossen eine Zugabe. Die bekamen sie natürlich auch: Wovon ihr heute Nacht träumen werdet.
Um 20 Uhr spielte die Gruppe Funkensprung und wurde dabei auch von einer Gastspielerin aus Baden-Baden unterstützt (siehe Foto rechts). Funkensprung spendete seinen gesamten Auftritts-Erlös an ein Schulprojekt in Ghana. Dort ist nämlich seit Anfang Juli 2012 Felix Schüler, einer der Spieler von Funkensprung, ehrenamtlich engagiert. Felix arbeitet über den Verein African Information Movement (AIM) bei dem Aufbau eines Ausbildungszentrums und einem Cybercafe mit. Dies mit dem Ziel, Jugendliche aus dem ländlichen Ghana einen Zugang zu Computern zu verschaffen und somit Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Die Spende beläuft sich auf 340 € (incl. 20,- von Christian M. Schulz, dem Organisator des Festivals). Felix erfuhr per Mail von dem Geld und war begeistert über die solidarische Unterstützung seiner Theatergruppe. „Das Geld ist hier gut angelegt und kommt wirklich bei den Leuten an. Den Jugendlichen hilft das Qualifizierungsangebot weiter“, antwortete er aus Ghana. Die Gruppe Funkensprung ist überzeugt, das Bildung Zukunft schafft. Pascal, ein anderer Spieler der Gruppe, betonte: „Wir wollen mit unserer Spende dazu beitragen, daß junge Menschen in anderen Teilen der Welt ähnliche Möglichkeiten haben, sich selbst zu bestimmen wie es in unserem Land möglich ist.“
Informationen über den Verein African Information Movement und die Möglichkeit, zu spenden unter: http://www.aim-ev.org/
Weitere Fotos von den Improleten und Funkensprung
Beharrlichkeit zahlt sich aus: Ralf Fees (Die Spontanellen) gelang es, im vierten Anlauf innerhalb von sechs Jahren den begehrten Titel „Champignon“ zu erringen. Er gewann beim Champignonabend, dem Abschluss des Festivals, wurde vom Publikum dafür beklatscht und von den anderen elf Improspielern gefeiert. Der tätowierte Mitinhaber eines Piercingstudios hatte 2007 zum ersten Mal beim Champignon-Wettbewerb im Freiburger Stadtgarten mitgespielt. Es folgte die Teilnahme in den Jahren 2010 sowie 2011 und jetzt, beim vierten Mal, endlich der Sieg mit 115 Punkten (und damit als Preis die große Flasche Apfelsaftschorle, die große Tafel Schokolade und die Dose Champignons 1. Wahl mit ganzen Köpfen). Vizechampignon mit nur einem Punkt weniger wurde Thore (UNGEFILTERT), der bereits 2005 Champignon geworden war (damals spielte er noch bei „Spagati Spontane“). Das tapfere Publikum blieb trotz Regens und erlebte einen tollen Auftritt mit 12 Spieler/innen aus neun verschiedenen Freiburger Gruppen. Es begann mit einer Maschine zum Thema „Pflastersteinschneider“ und ging weiter mit dem Erzählchor „Börsencrash“ sowie einer Armredendiskussion zum Thema „Schleimige Turnschuhe“. In der 3. Runde wünschten sich die Zuschauer die Synchro-Szene „Der Strampelanzug“, die Szene mit „Imker und Biene“ (Gefühlsachterbahn) und eine Gruppe aus „Samoa“ beim Grand Prix. Später gab es die Alphabetszene „Der feuchte Keller“, den Diavortrag „Korbblütler“ (angestossen durch den Namen einer Zuschauerin, die die Spieler zuvor ausgelost hatte) und ein Zappen. In der letzten Runde, mit den verbliebenen sechs Spieler/innen wurde die Szene „Freitag, der 13.“ (passenderweise am Freitag, den 13.) als Gangsta-Rap und Heavy-Metal wiederholt (was dem reichlich Metal-gepiercten Ralf, der daran beteiligt war, nicht schwer fiel). Und in der Szene „Das Spaghetti-Monster“ (Das klingt nach einem Lied) wurden fröhlich weitere Liedchen improvisiert. Die Moderation hatte, wie schon letztes Jahr, gewohnt souverän Sybille Kleinschmitt (FREISTIL) übernommen. Am Keyboard begleitete Karsten Kramer, der FREISTIL-Musiker alle Szenen und Lieder. Die 12 Spieler/innen waren: Angie (Die Improleten), Bettina (Hier und Jetzt), Carmen (Bitte frei machen), Markus (Spontan Brutal), Karima (Die Wilde Mathilde), Monika (Impromille), Ozan (Hier und Jetzt), Pascal (Funkensprung), Ruben (Impromille), Yvonne (Bitte frei machen) sowie Ralf und Thore.
„Ich bin ein Baum – Ich bin eine Schlange – Ich bin FSK 18 – Ich bin die Gewerkschaft – Ich bin das Blumenmädchen – Ich bin die allergische Mutter.“ Und schon hatte sich UNGEFILTERT warm gemacht für den Auftritt um 17 Uhr vor 50 Schmuddelwetter-resistenten ZuschauerInnen. Nachdem dann auch das Publikum ordentlich aufgewärmt war, stellten die Spieler eine neue CD vor, die sie mitgebracht hatten: „Auf dem Regenbogen“. Zu hören waren vier Auskopplungen. Die vorgetragene Oper „Lila bis gelb“ fand hohe Töne und großen Anklang. „Rutsch mir den Bogen runter“, ein wahrhaft krasses Heavy-Metal-Teil forderte das Leben der einen oder anderen Luftgitarre und heisere Kehlen. Mit tiefsitzenden Baggys rappte ein Hiphoper über seine Freundin, die auf dem Regenbogen von Außerirdischen entführt wurde. Nicht textüberladen, aber voller Rhythmus und mit kleinen Gesten wurde das Herzstück des Samplers vorgestellt: Das Minimal-Lied „Drop“. Zwei Zuschauer (Nick und Magdalena) haben anschließend zwei Spieler kräftig über die Bühne gescheucht, die als lebendgroße Puppen nur noch selbstständig reden konnten, alles andere haben die beiden Freiwilligen aus dem Publikum übernommen. So ergab es sich, dass Marianne und Fred zum Holz hacken im Wald verabredet waren, sägten und hackten, bis der große Baum letztendlich zwischen ihnen zu Fall ging und sie sich in den Armen lagen. Wie die vier Worte „Spinnennetz, Babymassage, Kakadu, Abgase“ in einer Szene einen Sinn ergeben, sahen die ZuschauerInnen anschließend. Der schüchterne Konrad hatte die Probezeit bei der VAG schon fast überstanden, als sein Vorgesetzter Herr Schruhl anfing, ihn zu erpressen, ein Einkaufscenter für ihn zu überfallen. Es kam zu einer spannenden Polizeijagd zu deren Ende Konrad zum Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe ernannt wurde und mit Elke Sonnenschein, die er einst überfallen hatte, liiert wurde.
Ebenso aufregend ging es beim Geständnis einher. Es vergingen viele Zwerchfellmuskelattacken, bevor klar war, was die Angeklagte verbrochen hatte: Sie hatte ihrer Schwiegermutter eine einzige Reißzwecke in das Bett gelegt und kam mit dem Wohnwagen zum Tatort. Als Zugabe sang UNGEFILTERT vor einem dankbaren Publikum eine längst überfällige Ode an den Klopapierhalter, in der sich die Sänger während des Liedes outeten, dass sie nie wieder ohne ein Klopapierhalter-Travelkit das Haus verlassen würden. Die SpielerInnen bedankten sich am Ende bei ihrem wetterfesten Publikum, ihrem Musiker Andreas Bohl und den Elternzeitmitgliedern.